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Predigt zu Lk 6, 27-38 am 9. November 2025 von Pfr. Oliver Fischer

Friede sei mit Euch!

„Auf kommt herbei, lasst uns wandeln im Lichte des Herrn!“ (aus EG 426)

Wir haben den Gipfel hinter uns. Die starken Worte vom Propheten Micha noch in den Ohren, Schwerter zu Pflugscharen! Vielleicht haben wir sie auch lange schon im Herzen, und nun sind sie wieder ordentlich gegossen worden und können wieder aufblühen. Die Vision der Zusammenkunft der weltweiten Friedensbewegung auf dem Berg Gottes. 

Frieden. Ja, ich weiß, wie komplex das Thema ist. Wie schmal der Grat zwischen Naivität und klugem Vertrauen. Viele intelligente Menschen haben sich mit Leidenschaft dazu Gedanken gemacht und miteinander gerungen und die Arbeit geht immer weiter. In diesen Tagen der Friedensdekade erscheint der neue Grundlagentext der Evangelischen Kirche zum Frieden in unserer Zeit. Der wird hoffentlich wieder viele Diskussionen anstoßen. Und in allem leitet die Hoffnung, die in dem Leitbild steckt: ein gerechter Frieden.

Dann haben wir heute noch andere Friedensworte gehört, aus dem Evangelium, aus der Bergpredigt – Moment: aber das stimmt ja gar nicht. Das war ja gar nicht auf einem Berg. Auch wenn’s so ähnlich klang wie in der Bergpredigt bei Matthäus, der als erstes Evangelium in unserer Bibel den prominenten Auftakt des Neuen Testaments macht. Wir haben heute ein anderes Evangelium gehört: Lukas. Bei ihm sind wir nicht mehr oben auf dem Berg, dem Ort der Gottesnähe. Da hatte der Gottessohn zwar die letzte Nacht verbracht, im Gebet, in inniger göttlicher Gegenwart und Gemeinschaft. Und danach ist er wieder runtergekommen, auf den Boden der Tatsachen unseres Lebens. Da stehen wir nun zusammen mit ihm, mit beiden Beinen auf dem Boden, dem Erdboden eines Feldes, unter Gottes weitem Himmel, wo im Evangelium so ziemlich alles Wichtige passiert. Das sind open air Veranstaltungen, in denen Gottes Schöpfung immer irgendwie mitspielt und sei es als Hintergrund und Rahmen des Geschehens. Bzw. gerade sitzen wir ja hier in der Schlosskirche und nicht auf einem Feld, aber wir können es uns ja mal versuchen vorzustellen. 

Ein Feld: in der Bibel der Ort, wo der Mensch sich seit der Vertreibung aus dem Paradiesgarten im Schweiße seines Angesichts abplackert für das tägliche Brot, den eigenen Lebensunterhalt. Ort der alltäglichen Arbeit und Mühe auf seinen Arbeitsfeldern.

Auf dem Feld blühen aber auch die Lilien, ganz zwecklos, nur wunderschön, nicht gewinnorientiert und vielleicht gerade darum schöner als der Salomo in all seiner Pracht, Inbegriff eines prächtigen mächtigen guten Herrschers, der dafür sorgt, dass es allen gut geht und dass es gerecht zugeht. Lilien gibt’s aber auch hier in der Kirche. Schauen Sie mal nach oben an die Decke. Erkennen Sie sie? Also sind wir doch ein bisschen wie auf einem Feld, können uns das zumindest vorstellen, mit einem Ausblick auf Gottes Schöpfungsschönheit. Der tut ja gerade in diesen trüben Tagen besonders gut. 

Hier hören wir nun die Friedensworte von Jesus aus dem Lukasevangelium. Vielleicht ist es ja dasselbe Feld, auf dem damals die Hirten des nachts ihre Herden hüteten und auf einmal sangen die Engel vom Frieden auf Erden und in diesem Gesang kam der Himmel auf die Erde, als der Friedefürst, der Gottessohn als Mensch geboren wurde.

Heute steht der erwachsene Gottessohn nun da auf dem Feld und spricht am helllichten Tag – „zu denen, die ihm zuhören“, steht da.

Er schreit sich nicht die Seele aus dem Leib, stelle ich mir vor, und zwingt auch niemandem seinen Willen auf. Er redet einfach – zu denen, die ihm zuhören. Das ist die einzige Bedingung hier: hören. Ohne das bekommt man’s nicht mit, bekommt es keine Bedeutung fürs eigene Leben, wird’s nicht relevant. Logisch irgendwie.

Wir haben seine Worte gehört, in denen der Herzschlag seines Evangeliums pocht, mitten im Alltag der Welt: Was das Leben nährt. Was die Gemeinschaft orientiert. Was zum Frieden führt. Was uns selbst zu Gotteskindern macht, genau wie den Gottessohn. Hören wir nochmal ein paar dieser Worte:

„Liebt eure Feinde; tut wohl denen, die euch hassen; 28segnet, die euch verfluchen; bittet für die, die euch beleidigen.“ 

Feinde lieben gräbt dem Hass das Wasser ab. So wird aus dem Sumpf ein Feld gewonnen, urbar gemacht, und Gerechtigkeit kann wachsen.

„Und wer dich auf die eine Backe schlägt, dem biete die andere auch dar“; 

Ich glaube nicht, dass Jesus meint: Lass dich verprügeln. Schon gar nicht, wenn Du schwach bist. Im Gegenteil: Wenn du die Kraft hast, Dich zu wehren, zurückzuschlagen – aber es nicht tust, weil du dich entscheidest, nicht in die Spirale der Gewalt einzusteigen – dann bist du frei. Dann bist du stärker als der Schlag. Dann beginnt etwas Neues. Dann beginnt der Frieden.

„38Gebt, so wird euch gegeben. Ein volles, gedrücktes, gerütteltes und überfließendes Maß wird man in euren Schoß geben; denn eben mit dem Maß, mit dem ihr messt, wird man euch zumessen.“ 

Wenn ich gebe ohne abzurechnen, großzügig bin, werde ich das auch selbst erleben. Ich hoffe, Sie haben das auch schon mal erlebt: wie Sie großzügig behandelt wurden. Den Espresso aufs Haus nach dem Essen im Restaurant. Das Glas übervoll eingeschenkt, dass es fast überfließt. Auf dem Markt noch drei schöne Mandarinen zusätzlich auf die bezahlte Tüte mit den Orangen gelegt. 

„31Und wie ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, so tut ihnen auch!“

Die berühmte goldene Regel, in vielen Kulturen bekannt wird hier positiv formuliert. Nicht: „Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu“ Sondern: Was du willst, das tu. Sehr geschickt! Das motiviert. Dass wir diese Regel selbst umsetzen.

Und dann nochmal:

„35Liebt eure Feinde und tut Gutes und leiht, ohne etwas dafür zu erhoffen. So wird euer Lohn groß sein, und ihr werdet Kinder des Höchsten sein;“

Wer so handelt, wird selbst verändert. Bekommt „Dank“, hier steht wörtlich das Wort für „Gnade“, also Gottes Geschenk, und am Ende einen Lohn, der alle Belohnung übersteigt: die und der wird nämlich selber zum Gotteskind, wie der Gottessohn Jesus, der diese Worte sagt. Ist kein bloßer Zuhörer mehr, kein Fremder, kein Gast, sondern gehört zu Gott. Wie ein Kind zu seinen Eltern, deren Hab und Gut es einst erben wird.

Starke Worte, die der Gottessohn hier auf dem Feld sagt. Ehrlich gesagt klingen sie unmöglich.

Und sie sind es auch, wenn man sie falsch versteht. 

Besonders schlimm: Sie wurden auch missbraucht als Aufforderung zur Unterwerfung, als fromme Folie für Gewalt, als theologische Entschuldigung für Unterdrückung.

Zu ertragen sind diese Worte, diese Aufforderungen nur, weil sie von dem kommen, der sie niemals missbraucht. Sondern selbst lebt bis zur letzten Konsequenz.

Wie sind Gotteskinder zu erkennen? 

Vielleicht indem sie genau das tun: hören. Und im Hören zu Gott gehören. Gerade hören wir. Hoffentlich.

Wie hören wir seine Worte auf dem Feld unseres Alltags, wo wir so viele andere Stimmen hören?

Wenn die Parolen lauter werden, die Fremdenfeindlichkeit immer mehr,

wenn das Gift des Hasses sich in Gespräche tropft, wenn Menschenrechte verhandelbar erscheinen.

Wie hören wir da auf seine Worte und was sagen wir? Denn da kommt es ja auch auf den Einzelnen an.

Auf dich.

Auf mich.

Überhöre ich den Spruch an der Kasse?

Sage ich etwas – oder halte ich mich raus?

Widerspreche ich, wenn ich Lüge und Hass sehe – auch digital, in den sozialen Medien?

Oder wenn das mit dem Computer nicht so mein Ding ist, bringe meine eigenen Ideen und Kraft mit ein in Initiativen von Angesicht zu Angesicht, wie zB „Wittenberg weltoffen“, oder nehme Teil an Aktionen, die sich für Menschenwürde und Gleichberechtigung, an Veranstaltungen wie den „Dialogen am Gartenzaun“ oder oder. Male ich mit am Bild unserer Stadt, dass es bunt ist und freundlich?

Auf dem Feld unseres Lebens unterwegs sind wir angelangt im November. Es geht nun hinein ins Ende des Kirchenjahres mit seinen schweren Tagen: heute. Volkstrauertag nächste Woche. Dann Buß- und Bettag, danach TotenEwigkeitssonntag. 

Auch hier wird die Schöpfung zum Gleichnis: Die Tage werden kürzer. Das Dunkel nimmt zu. Doch in unserem Glauben wissen wir es schon: wenn die Nacht am längsten wird auf dem Feld unseres Lebens, werden wir das Licht sehen und den Engeln singen hören, vom Himmel, der auf die Erde kommt, im Gottessohn, der die, die ihn hören, die zu ihm gehören, mitnimmt auf den Weg des Friedens. Und Friede auf Erden wird die Gerechtigkeit küssen, die wir auf den Feldern unseres Lebens wachsen lassen. 

Auf kommt herbei, lasst uns wandeln im Lichte des Herrn!

Und Gottes Friede, der höher ist weiter reicht.