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Inhalt der Thesen im Einzelnen
1: Da unser Herr und Meister Jesus Christus spricht „Tut Buße“ u.s.w. (Matth. 4,17), hat er gewollt, daß das ganze Leben der Gläubigen Buße sein soll.[1]
2: Dieses Wort kann nicht von der Buße als Sakrament – d. h. von der Beichte und Genugtuung –, die durch das priesterliche Amt verwaltet wird, verstanden werden.[1]
3: Es bezieht sich nicht nur auf eine innere Buße, ja eine solche wäre gar keine, wenn sie nicht nach außen mancherlei Werke zur Abtötung des Fleisches bewirkte.[1]
4: Daher bleibt die Strafe, solange der Hass gegen sich selbst - das ist die wahre Herzensbuße - bestehen bleibt, also bis zum Eingang ins Himmelreich.[1]
5–6: Der Papst kann nur Strafen erlassen, die er selbst auferlegt hat.
7: Gott erlässt Strafen nur denjenigen, die sich dem Papst (Gottes Stellvertreter auf der Erde) unterwerfen.
8–9: Die kirchlichen Bestimmungen über die Buße und das Erlassen von Strafen gelten nur für die Lebenden, nicht für Verstorbene.
10–13: Eine Strafe darf nicht für die Zeit nach dem Tod ausgesprochen werden.
14: Je geringer der Glaube an Gott ist, umso größer ist die Angst vor dem Tod.
15–16: Diese Angst alleine kennzeichnet das Fegefeuer als Reinigungsort vor Himmel und Hölle.
17–19: Es ist gesichert, dass Verstorbene im Fegefeuer ihr Verhältnis zu Gott nicht mehr ändern können.
20–24: Die Ablassprediger irren, wenn sie sagen: „Jede Strafe wird erlassen.“
25: Die gleiche Macht, die der Papst bezüglich des Fegefeuers im Allgemeinen hat, besitzt jeder Bischof und jeder Seelsorger in seinem Arbeitsbereich.
26–29: Der Papst erreicht die Vergebung im Fegefeuer durch Fürbitte, aber die Ablassprediger irren, wenn sie Vergebung gegen Geld versprechen. So steigen die Einnahmen der Kirche, aber die Fürbitte ist allein von Gottes Willen abhängig.
30–32: Niemand kann durch den Ablass Vergebung mit Sicherheit erreichen.
33–34: Der Ablass des Papstes ist keine Gabe Gottes, bei der Menschen mit Gott versöhnt werden, sondern nur eine Vergebung der von der Kirche auferlegten Strafen.
35–40: Niemand kann Vergebung ohne Reue erhalten; aber wer wirklich bereut, hat Anspruch auf völlige Vergebung – auch ohne bezahlten Ablassbrief.
41–44: Das Kaufen der Ablassbriefe hat nichts mit Nächstenliebe zu tun, auch befreit es nur teilweise von der Strafe. Wichtiger sind gute Werke der Nächstenliebe wie Unterstützung für Arme oder Hilfsbedürftige.
45–49: Wer einem Bedürftigen nicht hilft, aber stattdessen Ablass kauft, handelt sich den Zorn Gottes ein.
50–51: Wenn der Papst die Erpressungsmethoden der Ablassprediger kennen würde, würde er davon nicht den Petersdom in Rom bauen lassen.
52–55: Aufgrund eines Ablassbriefes ist kein Heil zu erwarten. Es ist falsch, wenn in einer Predigt länger über Ablass gesprochen wird als über Gottes Wort.
56–62: Der Schatz der Kirche, aus dem der Papst den Ablass austeilt, besteht nicht aus weltlichen Gütern, sondern aufgrund des Evangeliums. Aber die Vergebung der Sünden durch Jesus Christus ist der wahre Schatz der Kirche.
63–68: Der Ablass ist das Netz, mit dem man jetzt den Reichtum von Besitzenden fängt.
69–74: Die Bischöfe und Pfarrer sollen die Ablassprediger beobachten, damit sie nicht ihre eigene Meinung anstelle der päpstlichen predigen.
71–74: Wer gegen die Wahrheit des apostolischen Ablasses spricht, sei verworfen und verflucht. Der Papst will vielmehr den Bannstrahl gegen diejenigen schleudern, die unter dem Vorwand des Ablasses auf Betrug hinsichtlich der heiligen Liebe und Wahrheit sinnen.
75–76: Der Ablass kann keine schwerwiegenden und auch keine geringfügigen Sünden vergeben.
77–78: Der Papst kann genau wie der Apostel Simon Petrus Fähigkeiten von Gott erhalten, wie es in 1 Kor 12,1-11 EU geschrieben steht.
79–81: Es ist eine Gotteslästerung, das Ablasskreuz mit dem Wappen des Papstes in den Kirchen mit dem Kreuz Jesu Christi gleichzusetzen. Wer solche freche Predigt hält, kann das Ansehen des Papstes gefährden, etwa durch spitzfindige Fragen der Laien:
82: Warum räumt der Papst nicht das Fegefeuer für alle aus?
83: Warum bleiben Totenmessen für Verstorbene bestehen, wenn es nicht erlaubt ist, für die Losgekauften zu beten?
84: Warum kann ein gottloser Mensch gegen Geld Sünden vergeben?
85: Warum werden die praktisch abgeschafften Bußsatzungen immer noch mit Geld abgelöst?
86: Warum baut der reiche Papst nicht wenigstens den Petersdom von seinem Geld?
87: Was erlässt der Papst demjenigen, der durch vollkommene Reue ein Anrecht auf völligen Erlass der Sünden hat?
88: Warum schenkt er nur einmal am Tag allen Gläubigen Vergebung und nicht hundertmal täglich?
89: Warum hebt der Papst frühere Ablassbriefe wieder auf?
90–93: Wenn der Ablass gemäß der Auffassung des Papstes gepredigt würde, lösten sich diese Einwände auf. Darum weg mit diesen falschen Ablasspredigern.
94–95: Man soll die Christen ermutigen, Jesus Christus nachzufolgen, und sie nicht durch Ablassbriefe falsche geistliche Sicherheit erkaufen lassen.

Zusammenfassung
Das Dokument folgt dem Stil von Disputationsthesen, wie sie zu dieser Zeit bei akademischen Promotionen üblich waren, und ist auf Latein verfasst. Ausgehend vom Jesuswort „Tut Buße“ (Mt 4,17 LUT) wendet sich Luther zunächst gegen die kirchlich geschürte Angst vor dem Fegefeuer. Ab der These Nr. 21 bildet der Ablasshandel den Schwerpunkt seiner Ausführungen. Er bezeichnet den Ablass als „gutes Geschäft“ (Nr. 67), spricht ihm aber jegliche Wirkungskraft ab, „auch die geringste läßliche Sünde wegzunehmen“ (Nr. 76). In Nr. 81 werden „spitzfindige Fragen der Laien“ angekündigt, die sich als rhetorische Fragen erweisen, beispielsweise Nr. 86: „Warum baut der Papst, der heute reicher ist als der reichste Crassus, nicht wenigstens die eine Kirche St. Peter lieber von seinem eigenen Geld als dem der armen Gläubigen?“ Den Abschluss bildet ein Aufruf an die Christen, „dass sie ihrem Haupt Christus durch Strafen, Tod und Hölle nachzufolgen trachten und daß die lieber darauf trauen, durch viele Trübsale ins Himmelreich einzugehen, als sich in falscher geistlicher Sicherheit zu beruhigen“.